Scheitern – Teil 2

Meine Erfahrungen im Scheitern beziehen sich nicht nur auf Situationen vor Fernsehkameras. Ich glaube, ich kann sie wie jeder andere in allen möglichen Bereichen vorweisen. Etwas, was mir heute – auch in Bezug auf meine eigene Lernkurve – besonders auffällt, ist zum Beispiel meine Erfahrung im Bereich YouTube-Videos drehen. Meine ersten Blog-Videos waren schrecklich! Sie anzuschauen tut mir bis heute richtig weh, weil ich da total unnatürlich rüberkam, gekünstelt. Ich bewundere die jungen Menschen der heutigen Generation, Video-Blogger und YouTube-Kiddies, die vor der Kamera total natürlich wirken!

Und auch diese Erfahrungen gehören dazu. Man muss schreckliche Videos drehen, um mit jedem Video besser zu werden. Das habe ich im Kapitel »Marketing« ja auch schon gesagt. Und du WIRST besser, so wie meine Videos heute auch viel brauch-
barer sind als die allerersten (ob sie gut sind, magst du entscheiden).

Ich habe viele Momente in meinem Leben zum Scheitern genutzt. Ein anderer Bereich waren meine ersten Gehversuche als Redner. Angefangen habe ich in einem englischen Debattierclub, von dem ich dir schon erzählt habe. Mein Englisch war gut, mein Sprechen schrecklich, gefühlt habe ich 60-mal in der Minute »Äh« gesagt, gestottert, mit den Fingern an meiner Kleidung rumgefummelt … die ganze Palette an No-gos… Heute glaubt mir das kein Mensch, wenn ich das erzähle, heute bin ich professioneller Speaker, war bei TEDx, bei GEDANKENtanken, habe Vorträge an der Universität in London gehalten und tue (fast) nichts lieber, als vor einer großen Gruppe vor Menschen zu sprechen. Das alles ist nur passiert, das alles habe ich nur erreicht, indem ich einfach weitergegangen bin und am Widerstand gewachsen bin – einfach da DURCH, durch die WAND!

Scheitern ist oftmals einfach eine Frage der Bedeutung, der eigenen Interpretation:

Was bedeutet das? Was bedeutet es wirklich? Und welche Bedeutung füge ICH HINZU? Habe ich jetzt für immer und ewig bewiesen, dass ich ein Idiot bin? Oder habe ich ganz einfach dadurch gesehen, dass ich hier noch etwas lernen kann? Welche Macht habe ich, wenn ich für mich die volle Verantwortung und Kontrolle übernehme?

Sir Ken Robinson hat einmal gesagt:

Being wrong is not the same as being right.
But if you are not prepared to be wrong, you’ll never come up
with anything original.

Falsch zu liegen ist nicht das Gleiche wie recht zu haben.

Aber wenn du nicht bereit bist, Fehler zu machen,

wirst du niemals etwas Neues und Einzigartiges erschaffen.

Und ich füge sogar noch hinzu:

If you are not prepared to be wrong,
you’ll never do ANYTHING at all!

Wenn du nicht bereit bist, Fehler zu machen,
wirst du überhaupt nichts machen!

Wir alle tragen noch die alte Schuldenke mit uns herum, denn mit ihr sind wir jahrelang aufgewachsen: alles richtig machen. Nur ja keine Fehler. Keine eigenen kreativen Lösungen finden, lieber genau so, wie es im Lösungsbuch steht.

Aber hier draußen, im richtigen Leben, brauchen wir die Fähigkeit, unperfekt zu sein, Fehler zu machen, denn sonst bleiben die tollsten Ideen und Talente unentdeckt, weil wir sie nicht rauslassen! Und am Ende ist jemand anderes schneller als wir. Und selbst wenn nicht – es geht um UNS, um DICH, um deine Talente, dein ELEMENT, das ans Licht will, raus in die Welt.

Thomas Watson, der Gründer und ehemalige Chef von IBM, soll einmal zu einem Mitarbeiter, der gefragt hat, wie er in seinem Unternehmen schneller vorankommt, gesagt haben: »Verdoppeln Sie Ihre Fehlerzahl.«

Nach diesem Motto lebe ich seit zehn Jahren. Probiert es auch einmal!

Hoffnungslos am Herd

»Aber ich kann doch nicht kochen!« waren meine ersten Worte, nachdem ich von meinem Management die »frohe« Kunde erhalten hatte, VOX wollte mich für Das perfekte Promi Dinner. Ich hatte Lust, dabei zu sein, wusste aber, dass ich mich ungefähr so weit aus meiner Komfortzone bewegen müsste wie ein Pinguin in einer Dokumentation über das Fliegen.

Meine Kochkünste als »schlecht« zu bezeichnen, wäre ein starker Euphemismus gewesen.

Bei meiner ersten großen TV-Produktion The next Uri Geller, die 2008 acht Wochen lang um 20:15 Uhr bei ProSieben lief, hatte ich hinterher von einer der Producerinnen folgendes Feedback bekommen:

»Alex, es war schön, dich kennengelernt zu haben, aber es war manchmal echt nervig, mit dir zu arbeiten. Du bist einfach zu … professionell.«

Verdutzt habe ich sie angeschaut und gefragt: »Zu … professionell? Das geht?«

»Ja, du hast keine Fehler gemacht. Es war alles so glatt. Das ist todlangweilig.«

In dem Moment fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Menschen interessieren sich für MENSCHEN. Deshalb funktionieren diese ganzen schrecklichen Gesangscastingshows auch in der zwölften und 19. Staffel. Weil es nicht darum geht, wie gut sie singen können, sondern was zwischenmenschlich unter den Teilnehmern passiert.

Zu professionell zu sein – da lief ich bei Das perfekte Promi Dinner keine Gefahr. Und es sollte gut so sein.

Ich wusste, dass ich schon beim Schneiden einer Zwiebel ganz von vorne anfangen musste. Und es hätte in einer Kochsendung überhaupt keinen Sinn gehabt, so zu tun als ob. Deshalb habe ich mich genau für das Gegenteil entschieden. Als ich gefragt wurde:

»Und, wie ist das so, kochst du selbst auch viel?«, habe ich die Wahrheit gesagt.

»Nein, ehrlich gesagt … Kochen und ich, wir kennen uns noch nicht so lange. Das ist hier eher ein riesengroßes Abenteuer für mich …«

Natürlich habe ich mir Mühe gegeben und die Gerichte trainiert, um meinen Gästen etwas Gutes zu tun, ihnen etwas Leckeres zu kochen, obwohl ich immer im Hinterkopf wusste, dass das auch total nach hinten losgehen kann … Wie ich abgeschnitten habe? Auf meiner Visitenkarte steht seitdem: Alexander Hartmann – Promi-Dinner-Gewinner.

Spaß beiseite – ich packe mein Ego ja schon wieder in seinen kleinen Lustgarten, wo es in Ruhe spielen kann – und uns weniger stört. Ich behaupte bis heute: Es lag am Nachtisch.

mitdemelefantdurchdiewand.de/rezept

(EINFACH IM NEUEN BLOG NACHBAUEN – das ist schon der nächste Blog Artikel)

Waldenbucher Schokoladenküchlein Medium, mit Waldbeerenkompott und hausgemachtem Holunderblüteneis. Probiert zu widerstehen … absolut unmöglich!

Ehrlich gesagt: Ich glaube, dass dieses Ergebnis nicht unbedingt an meinen Kochkünsten lag, sondern einfach daran, dass wir (Tony Marshall, Gina-Lisa Lohfink, Mia Gray et moi) eine Menge Spaß an dem Abend hatten – und sie wahrscheinlich gemerkt haben, dass Kochen definitiv nicht meine Kernkompetenz ist. (Und dann dieser überraschende Traumnachtisch).

Quintessenz hier ist: Mach es trotzdem! Mach Dinge, von denen du weißt, dass du sie nicht kannst. Stürz dich ins Wachstum. Gib alles und bleib vor allem du selbst – auch wenn es (noch) nicht perfekt ist. Warum solltest du es denn sonst machen?

Einen meiner Lehrer, Keith Johnstone, den Erfinder des modernen Improtheaters (und DER Guru in dem Bereich), durfte ich bei einem seiner letzten Workshops in Europa kennenlernen. Und er hat einmal zu mir gesagt: »Wenn ich ›Impro‹ könnte, dann würde ich aufhören, es zu unterrichten. Denn dann wäre es mir viel zu langweilig.«

Um das Kapitel »Scheitern« abzurunden, möchte ich dir hier noch das Interview zur Verfügung stellen, das ich mit meinem Coach Gaston Florin zum Thema geführt habe – der mich viele Jahre begleitet und mir wie kein anderer das genussvolle Scheitern beigebracht hat:

mitdemelefantdurchdiewand.de/gaston

(EINFACH IM NEUEN BLOG NACHBAUEN – das ist schon der nächste Blog Artikel)

Die Angst vor dem Scheitern ist ja nur eine von vielen Ängsten, die wir haben. Angst hat unterschiedliche Gesichter. Sie ist der Schatten, der die Nacht durchflattert. Sie ist der Schreck, der uns durchzuckt. Sie ist das leise Unbehagen, der Zweifel oder der »kleine Mann im Ohr«, der uns einflüstert: Wie soll das nur alles gehen? Was sollen die anderen sagen …?

So wie damals vor dem Promi Dinner ist mein Motto bis heute geblieben:

»Mut bedeutet nicht, keine Angst zu haben.
Mut bedeutet, Angst zu haben und es trotzdem zu tun.«

Vielleicht möchtest du diesen Gedanken auch einmal ausprobieren, wenn sich die alte Freundin namens Angst wieder bei dir meldet. Mach’s trotzdem!